4. Liga Torwart für Foul vom Richter verurteilt – Eine rechtliche Analyse

Gemäss Zeitungsbericht des Tages Anzeigers (Link) wurde ein Torhüter einer 4. Liga Mannschaft vom Kreisgericht Wil wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Er hatte einen heranstürmenden gegnerischen Spieler mit gestrecktem Bein mit den Stollen seines Fussballschuhs auf Kniehöhe getroffen. Dies hatte zur Folge, dass der Stürmer mit einer Knieverletzung vom Platz getragen werden musste. In der Folge war er mehrere Monate lang arbeitsunfähig. Der Gefoulte zeigte den Torhüter wegen fahrlässiger Körperverletzung an.

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Verurteilung von Sportlern sind durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung gefestigt. Wer bei einem Sportwettkampf teilnimmt, muss wissen, dass damit ein Verletzungsrisiko verbunden ist. Dieses Risiko wird unter Juristen als “sportartspezifisches Grundrisiko” bezeichnet. Ein Fussballer muss also damit rechnen, dass auch hart gespielt wird. Foulspiele gehören zum Sport, auch wenn sie mit gelben und roten Karten bestraft werden können. Es kommt im Fussball erwartungsgemäss vor, dass man vom Gegenspieler umgegrätscht wird. Regelüberschreitungen sind an der Tagesordnung. Man kann nicht an einem Fussballspiel teilnehmen und bei jeder Verletzung die Verurteilung des Gegenspielers verlangen.

Allerdings hält das Bundesgericht auch fest, dass man durch die Teilnahme an einem Wettkampf sich nicht allen möglichen Angriffen aussetzt. Man darf darauf vertrauen, dass die Gegenspieler die Spielregeln nicht grob missachten. Das bedeutete in diesem Fall konkret, dass der Torhüter nicht nach jedem Zusammenprall automatisch verurteilt worden wäre. Da der Torhüter allerdings mit gestrecktem Bein in den Zweikampf gestiegen ist, hat der Torhüter sich gefährlicher verhalten, als der Verletzte es vor dem Beginn des Fussballspiels erwarten musste. Aus diesem Grund liegt ein strafrechtlich relevantes Verhalten vor.

Meiner Meinung nach ist es richtig, dass das Strafrecht auch im Sport gilt. Es darf nicht sein, dass unter dem Deckmantel des Sportes, Straftaten begangen werden können. Deshalb bin ich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtes einverstanden. Ich glaube, dass diese vernünftig ist. Es ist gut, von Sportlern eine gewisse Rücksicht auf den Mitmenschen und Gegner zu verlangen. Gleichzeitig jedoch muss auch Raum für Fouls vorhanden sein, die es in der Hitze des Gefechts immer geben wird. Nicht jedes Foul ist strafrechtlich von Bedeutung. Dieser Raum ist durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung gewährleistet.

Es ist darauf hinzuweisen, dass in diesem Fall nur deswegen ein Strafverfahren eröffnet wurde, weil der gefoulte Spieler eine Strafanzeige einreichte. Interessanterweise verzichten gerade Profisportler regelmässig darauf, Strafanzeige gegen ihre Gegenspieler einzureichen. Man denke hier zum Beispiel an die Verletzung des ehemaligen FCZ-Spielers Gilles Yapi, der bei einem Super League Spiel in Aarau am Knie verletzt wurde. Dort wollte Herr Ancillo Canepa, Präsident des FCZ, eine strafrechtliche Verfolgung des Aarauer Spielers. Diese scheiterte jedoch daran, dass Gilles Yapi nicht bereit war, eine Strafanzeige einzureichen.

Unabhängig von der strafrechtlichen Seite, ist die zivilrechtliche Seite zu betrachten. Auf der zivilrechtlichen Seite geht es um die Frage, ob ein verletzter Sportler Anspruch auf Schadenersatz (bspw. für die medizinischen Kosten) hat. Es geht auf der zivilrechtlichen Seite jedoch nicht darum, dass jemand vom Staat für ein Verhalten bestraft wird.

Auch im Zivilrecht ist der Massstab derjenige des sportartspezifischen Grundrisikos. Wenn jemand ein schweres Foulspiel begeht und damit das sportartspezifische Grundrisiko überschreitet, muss er damit rechnen, vom Gegenspieler zur Rechenschaft gezogen zu werden! Oftmals sind es dabei die Versicherungen des Verletzten, die die ihr entstandenen Kosten auf den Gegenspieler abwälzen wollen und dementsprechend das zivilrechtliche Verfahren suchen.

Auch ohne strafrechtliche Verurteilung ist es möglich, dass jemand aufgrund eines Foulspiels verpflichtet wird, dem gefoulten Spieler Schadenersatz zu bezahlen. Es ist also nicht selbstverständlich, dass der Stürmer den Weg der Strafanzeige wählte. Er hätte seine Schadenersatzforderung auch auf zivilrechtlichem Wege geltend machen und die Verurteilung des Gegners damit vermeiden können. Dann wäre der Gegner jetzt nicht strafrechtlich vorbestraft. Allerdings ist der von ihm gewählte Weg deutlich günstiger, da im Strafrecht keine Gerichtskostenvorschüsse zu leisten sind.